Kapitel 1.1 Das große Rätsel „Warum“ — wie ich meinen Weg zurück ins Leben suche
Wieso das Ganze?
Diese Frage hat mich viele schlaflose Nächte gekostet. Sie kommt oft leise, in Momenten der Stille – und trifft dann mit voller Wucht. Lange habe ich sie ignoriert, beiseitegeschoben, weggelächelt. Ich hatte nicht den Mut, mich ihr zu stellen. Nicht gegenüber anderen – und noch viel weniger mir selbst gegenüber.
Die letzten zwei Jahre waren wie ein innerer Sturm. Ich habe mich zurückgezogen, immer wieder. Ich floh aus dem Alltag, vergrub mich in der Einsamkeit meines Bullis und suchte verzweifelt nach einem Reset-Knopf, nach einer Möglichkeit, irgendwie wieder bei mir selbst anzukommen. Ich wollte den Lärm in meinem Kopf abschalten. Nur für einen Moment.
Gefunden habe ich diesen Knopf nicht. Nicht im ersten Jahr. Nicht im zweiten. Und heute, im dritten Jahr, bleibt er weiterhin verschwunden. Aber ich habe stattdessen Orte gefunden, die mich atmen lassen. Orte, an denen es so still ist, dass ich meine eigene Stimme wieder höre – leise, brüchig, aber da.
Der Ursprung meines Zusammenbruchs liegt viele Jahre zurück. Was genau passiert ist, möchte ich aktuell noch ür mich behalten. Aber es hat Narben hinterlassen – tiefe, unsichtbare, die nach außen oft nicht zu erkennen sind. In meinem Beruf als Flugbegleiter begann mein Körper dann zu sprechen, wo ich es nicht konnte. Ein kleiner Infekt war genug, um mich tagelang außer Gefecht zu setzen. Ich war nicht mehr belastbar. Nicht körperlich, nicht seelisch.
Stopp. So geht es nicht weiter.
Das sagte mir mein Körper, meine Psyche, mein ganzes System – immer lauter, bis ich nicht mehr weghören konnte.
Und so kam es, wie es kommen musste: Ich konnte meinen Beruf nicht mehr ausüben. Die Panikattacken, die Depression – sie nahmen mir meine Kraft, meine Konzentration, mein Vertrauen in mich selbst. Mein Traumjob, mein Anker, mein Alltag – alles weg. Heute weiß ich nicht, wie es weitergehen soll. Keine Perspektive, keine klare Richtung. Nur das Gefühl, irgendwo zwischen den Welten festzustecken.
Ich funktioniere – irgendwie. Mein Alltag ist machbar, aber nur dank regelmäßiger Medikamente. Sie geben mir Halt, den ich in mir selbst nicht mehr finde. Sie dämpfen die tiefsten Täler, auch wenn sie mir das Licht auf den Hügeln nicht immer zeigen können.
Und manchmal… ja, manchmal ist da dieser Moment: Sonnenlicht, das durch die Bäume fällt. Kinderlachen auf der Straße. Der Geruch von Regen auf heißem Asphalt. Zeichen des Lebens, kleine Geschenke. Doch ich spüre sie oft nicht. Ich sehe sie, aber ich fühle sie oftmals nicht. Es ist, als würde ich durch eine Glasscheibe schauen – nah dran, aber unerreichbar.
Trotz all dem möchte ich nicht aufgeben. Ich möchte nicht nur überleben – ich möchte wieder leben. Und mehr noch: Ich möchte anderen helfen, ihren Weg zurück ins Leben zu finden. Menschen, die denselben schwarzen Hund an ihrer Seite haben wie ich. Menschen, die kämpfen, die zweifeln, die oft nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll.
Ocean Zero ist meine Antwort auf das große „Warum“.
Es ist mein persönlicher Versuch, aus meiner eigenen Dunkelheit ein Licht für zu entfachen. Ein Raum, in dem ich wieder lernen darf, zu fühlen. Zu atmen. Zu lachen. Zu weinen. Und irgendwann – vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen – wieder zu leben.
Wenn du das liest und dich in meinen Worten wiedererkennst, dann weiß: Du bist nicht allein. Vielleicht treffen wir uns eines Tages an einem dieser stillen Orte. Und vielleicht beginnt genau dort dein Weg zurück zu dir selbst.

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