Kapitel 7.0 Vanlife Sardinien: Ocean Zero, eine Nacht im Sturm und kleine Siege über große Ängste

Eine Nacht im Sturm

Es war eine dieser Nächte, die man nicht vergisst. Nächte, in denen das Meer nicht nur Kulisse ist, sondern Teil von einem selbst wird. Seit Wochen schon war ich mit meinem Bulli unterwegs, ließ Straßen hinter mir, folgte Küstenlinien, die sich wie gemalte Horizonte vor mir ausbreiteten. Ich stand an Stränden, so still, dass selbst der Wind zu flüstern schien. Ich fand Buchten, in denen die Welt für einen Moment innehielt – einsam, unberührt, fast unwirklich schön.

Dort, wo die Sonne den Ozean küsste und der erste Schimmer des Morgens wie ein zarter Schleier über dem Wasser lag, fühlte sich alles größer und leichter an. Die Tage begannen mit Salz auf der Haut, dem Geruch von Pinien in der Luft und dem Rauschen der Wellen, das wie ein Herzschlag durch den Bus drang. Es war, als würden mich diese Orte behutsam ein Stück weitertragen – hinaus aus dem Lärm, hinein in etwas Echtes. Ein kleines Paradies: frei, weit, still – und doch voller Leben, das man nur erkennt, wenn man es ganz nah an sich heranlässt.

Sardinien – zwischen Karibik und Kalifornien

Diese Reise führte mich nach Sardinien – eine Insel, die sich anfühlt wie zwei Welten in einer. Die Ostküste mit ihrem klaren, fast karibisch schimmernden Wasser und weißen Sandstränden, wo sich Licht und Meer gegenseitig umarmen. Die Westküste dagegen rau und wild, vom Wind gezeichnet, Felsen wie Skulpturen, Wellen, die mit unbändiger Kraft an die Klippen schlagen – fast wie Kalifornien, und doch unverkennbar mediterran.

Hier draußen fuhr ich meist allein. Und trotzdem begegnete ich immer wieder Menschen: Fremde, die kurz zu Weggefährten wurden. Wir kochten zusammen auf Gaskochern am Strand, saßen unter Pinien, erzählten uns Geschichten, fuhren ein paar Tage gemeinsam weiter, teilten Lachen und Schweigen. Momente, die wie Muscheln in der Tasche blieben – klein, unscheinbar, aber von Wert. Und irgendwann trennten sich die Wege wieder, und ich war zurück in meiner eigenen Stille.

Bis zu diesem einen Abend.

Die Landzunge – und die Nacht im Sturm

An diesem Abend zog es mich noch ein Stück weiter. Weg von der Straße, hinaus auf eine schmale Landzunge, so schmal, dass nur ein, zwei Fahrzeuge Platz fanden. Links Meer, rechts Meer, nichts als Wasser bis zum Horizont. Ich kam im Dunkeln an, der Himmel voller Sterne, das Wasser glatt wie Glas, der Mond legte seinen silbernen Weg darüber. Es war ein Bild von Frieden – einer dieser Momente, in denen man glaubt, angekommen zu sein.

Ich stellte den Bulli ab, öffnete die Fenster, atmete die salzige Luft. Der Hunger meldete sich leise, ich wollte mir noch etwas kochen, bevor ich zur Ruhe kam. Doch plötzlich kam er – ein kalter, schneidender Fallwind, der wie aus dem Nichts herabstürzte. Erst ein Ruck in der Luft, dann Böen, die an der Karosserie rüttelten. Mit dem Wind kam Regen – nicht der sanfte Sommerregen, den man noch romantisch findet, sondern einer, der in Minuten den ausgedörrten Boden in eine matschige Fläche verwandelte.

Alles ging rasend schnell. Ich stopfte meine Aufbauten zusammen, zog mich in den Bus zurück. Draußen tobte der Sturm, drinnen schaukelte mein kleiner Bulli wie ein Boot. Kochen war unmöglich, mein Hunger blieb. Mit jeder Böe wuchs das Gefühl von Ausgeliefertsein: Würde ich hier wegkommen? Der Weg zurück war steil, mein Bus hatte nur Zweiradantrieb. Panik kroch in mir hoch, Erinnerungen an alte Ängste – und trotzdem hielt ich durch.

Ich saß in der Dunkelheit, lauschte dem Tosen, fühlte das Schaukeln, spürte, wie klein man vor der Natur wird. Trotz des tosenden Windes und der Wellen spürte ich in dieser Nacht auch etwas anderes: die leise Gewissheit, dass ich nicht untergehe. Mein Bulli war mein sicherer Kokon, die Freiheit am Ozean mein Anker. Selbst mitten im Sturm, mitten in Panik und alten Ängsten, hielt mich dieses kleine rollende Zuhause und half mir, die Nacht zu überstehen. Irgendwann, erschöpft vom Lärm und vom Kampf gegen die Gedanken, schlief ich ein.

Morgen im Regen

Der Morgen brachte immer noch Regen – und doch etwas anderes. Als ich aus dem Fenster blickte, stand neben mir ein großer, schwarzer Bus. Zwei Menschen, die ich zuvor auf der Insel kennengelernt hatte, hatten sich in der Nacht zu mir gestellt. Wir standen nun zu zweit auf dieser schmalen Landzunge, nicht mehr allein. Freunde, die mir bis heute geblieben sind. Gemeinsam kochten wir Kaffee, atmeten durch, schmiedeten Pläne und verließen schließlich gemeinsam die Insel.

Aus einer beängstigenden Nacht wurde ein Moment von Gemeinschaft und Stärke – ein kleiner Sieg über meine Angst.

Und doch ist dies nur ein Kapitel von vielen. Ein Abschnitt einer größeren Geschichte, die mein Leben heißt. Ocean Zero ist mein Weg, sie zu erzählen – Stück für Stück, Etappe für Etappe. Wenn du magst, komm mit auf die nächste Etappe.

    Willkommen an Bord.



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